18/11/2025 0 Kommentare
Frieden suchen, Frieden wagen
Frieden suchen, Frieden wagen
# k.eck 142

Frieden suchen, Frieden wagen
Frieden suchen, Frieden wagen
Es gibt Tage, da denke ich, wir hätten das Träumen verlernt.
Die Schlagzeilen fliegen mir um die Ohren. „Wir müssen stärker werden. Bereit, zu kämpfen! Abschreckung, Aufrüstung, Zustrombegrenzung, macht die Grenzen dicht. Wir schotten uns ab und machen uns groß. Nur dann werden wir sicher sein.
Es klingt als müsste die Welt enger werden, anstatt weiter.
Als wäre Sicherheit der hellste Stern am Himmel.
So manch einer verwandelt das eigene Haus in eine Festung. Von neuen Schlössern bis zur Alarmanlage. Ein Küchenmesser neben dem Kopfkissen. „Damit ich ruhig schlafen kann“, sagt er. Aber er schläft nicht ruhiger. Hinter jedem Geräusch lauert die Angst. Hinter jeder fremden Stimme die Verschwörung gegen ihn.
Was er sucht, ist nicht das stärkere Schloss. Was er sucht, ist Frieden. Frieden im Inneren.
Sicherheit arbeitet mit Mauern, Frieden arbeitet mit offenen Armen.
Sicherheit arbeitet mit Feindbildern, Frieden mit Möglichkeiten.
Sicherheit mit Misstrauen, Frieden mit Zuversicht.
Sicherheit kann die Tür verrammeln und verriegeln. Frieden öffnet das Herz.
„Sie reden nicht, was dem Frieden gilt.“ (Jer 6,14)
Aber was, wenn das eigene Leben bedroht ist? Wenn Gewalt als letzter Ausweg erscheint? Es ist menschlich. Wenn Angst das Denken lähmt, übernimmt der Hirnstamm. Die Welt schrumpft zusammen auf drei Optionen: Kampf, Flucht, Erstarren.
Gewalt ist das, was passiert, wenn Vorstellungskraft stirbt. Wenn Empathie abschaltet. Wenn wir die Welt nur noch durch Angst sehen.
Wenn wir zuschlagen, wenn wir Bomben werfen, wenn wir schießen, dann ist das als Panikreaktion menschlich. Aber dann müssen wir uns auch eingestehen: Angst hat mein Hirn vernebelt. Mir fehlte die Fantasie, ich wusste keinen besseren Weg. Gewalt bleibt Scheitern!
„Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen …“ (Jes 2,4)
Das muss das Ziel bleiben: Neue Wege finden, die keine Gewalt und Waffen braucht.
Vor dreizehn Jahren standen Israel und der Iran sich schon einmal als Kontrahenten gegenüber. Bomben sollten fallen. Ein Elternpaar aus Tel Aviv nahm die Dinge in die Hand: Sie gestalteten ein Plakat und verbreiteten es auf Facebook. Die Botschaft war klar: „Iraner! Wir werden niemals Bomben auf euer Land werfen! Wir lieben euch!“ Etliche junge Menschen aus Israel folgten ihrem Beispiel und fluteten Social Media mit dieser Botschaft. Die Antworten aus dem Iran ließen nicht lang auf sich warten. „Wir lieben euch auch!“
Eine neue Bewegung war geboren. Menschen, die eigentlich Feinde sein sollten, erzählten einander ihre Geschichten, entdeckten ihre Gemeinsamkeiten, schlossen Freundschaften über Grenzen hinweg. Immer wieder wurden Nachrichten wie diese verschickt: „Ich habe mein ganzes Leben lang Angst vor euch gehabt. Und jetzt lese ich deine Geschichte und merke: Du klingst wie ich.“ Die Peace Factory war geboren.
Die Machthaber drohten einander mit Bomben. Aber die ganz normalen Menschen, die wollten wie du und ich einfach nur ihr Leben leben. Und sie verwandelten den Hass, der ihnen eingeimpft wurde. Statt zu Waffen griffen sie zu einer Liebesoffensive. Und veränderten miteinander ihre Wirklichkeit.
Die Psychologie nennt es Konstruktivismus. Aber man könnte auch sagen: Die Welt antwortet uns im Tonfall, in dem wir sie ansprechen.
Wenn ich einem Fremden begegne mit dem Gedanken: „Du könntest gefährlich sein“, spürt er meine Härte. Er spannt sich an. Er wird kurz angebunden. Und ich sage: „Siehst du? Ich hatte recht.“
Misstrauen schürt Misstrauen. Hass schafft Hass. Gewalt erzeugt Gewalt.
Ein Teufelskreis.
Aber es gibt auch den anderen Kreis. Der ist zart und verletzlich.
Wenn ich jemanden ansehe und denke: „Du könntest ein Freund sein.“ Dann verändert sich mein Gesicht. Mein Ton. Meine Haltung.
Und manchmal, nicht immer, aber oft genug, antwortet das Gegenüber in derselben Sprache.
Engelskreis statt Teufelskreis. Begründet auf Vertrauensvorschuss und dem Glauben an das Gute.
„Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden.“ (Jes 26,3)
Es gibt zwei Leitbilder, die miteinander ringen: „Wir müssen stark sein.“ Oder „Wir müssen menschlich sein.“
Beide sind verständlich. Aber sie führen in zwei verschiedene Welten.
Was gilt in meinem Leben?
Wollen wir, dass alle sich einfügen? Oder dass alle vorkommen? Wollen wir Recht behalten? Oder verstanden werden?
Wollen wir Sieg? Oder Frieden?
Welche Geschichten wollen wir schreiben? Die zerstörerischen Narrative sind laut: „Die da oben.“ „Die da drüben.“ „Die Fremden.“ „Die Schuldigen.“
Diese Geschichten reißen alles mit sich.
Die Welt braucht Gegengeschichten. Mutigere Geschichten. Zärtlichere Geschichten.
Utopisten und Träumerinnen. Die die Welt größer machen anstatt kleiner. Dann wird die Utopie ein Werkzeug. Eine Möglichkeit, eine friedlichere Welt in die Wirklichkeit zu träumen. Auf sie zu bestehen, bis sie wahr wird.
Frieden wird dort geboren, wo Menschen den Mut haben, Geschichten zu erzählen, die die Welt erweitern
„Suchet Frieden und jaget ihm nach.“ (Ps 34,15)
Sudan. Myanmar. Die Ukraine. Der Nahe Osten. Und hunderte andere Konflikte und Kriege weltweit. Keinen davon kann ich aus meinem Wohnzimmer heraus beenden.
Aber ich kann verhindern, dass der Krieg in mich einzieht. Dass er sein Gift versprüht in meinen Worte, meinen Gesten, meinen Blicken und Beziehungen.
Ich kann heute etwas tun, dort wo ich bin.
In einer Kita, wo ein Kind erfährt, dass Konflikte lösbar sind. In einer Redaktion, wo faire Berichterstattung über Klickzahlen steht. In einer Familie, wo man mit ernsthaftem Interesse zuhört. In einer Debatte, in der wir Hass nicht erlauben, aber ohne Hass zurück sprechen.
Frieden ist radikal. Weil er Mut braucht. Mut, Kontrolle abzugeben. Mut, Privilegien zu teilen.
Mut, Schuld einzugestehen. Mut, zu vertrauen, auch wenn es weh tun könnte.
Wenn Frieden der Maßstab für unsere weltweite Gesellschaft ist, dann verändern sich die Fragen, die wir stellen. Nicht, wer stärker, reicher oder mächtiger ist, ist wichtig. Sondern: Wie geht es den Verletzlichsten? Frieden ist da, wo Vielfalt kein Problem, sondern Alltag ist. Wo Streit lösungsorientiert geführt wird.
Wo Menschen sich entfalten können, wo strukturelle Ungleichheit beendet wird.
Wo ich meinem Gegenüber exakt dasselbe Recht zugestehe, wie mir selbst.
Wo alle im Einklang leben. Mit Schöpfung, Geschöpfen und Schöpferin.
„Dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen.“ (Ps 85,11)
Und vielleicht, wenn wir den Mut haben, wird heute der erste Schritt in eine Welt, in der Frieden möglich wird.
Eine himmlische Welt. Gottes Shalom, den wir uns erzählen und den wir einfordern, bis auch der letzte daran glaubt, dass er möglich ist.
„Selig sind, die Frieden stiften.“ (Mt 5,9)
Amen.
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